Hundert Jahre Püchner Holzblasinstrumente – Firmenchronik
Gekürzte Version der Festschrift zu Firma Püchners 100-jährigem Firmenbestehen
Von Dr. Gunther Joppig, München
Im böhmischen Graslitz
Am 25. August 1897, als Josef Püchner im böhmischen Graslitz, damals Teil der Österreich/Ungarischen Donaumonarchie, das Licht der Welt erblickte, meldete sein Vater Vinzenz Püchner gleichentags ein selbständiges Gewerbe als Holzblasinstrumentenmacher an. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts war Graslitz Hauptsitz der österreichischen Instrumentenfabrikation.
Gründer Vinzenz Püchner
Vinzenz Püchner, geboren am 8. Juli 1870 in Graslitz, hatte seine Eltern früh verloren und lebte bei Familie Geßner, wo er von klein auf mit dem Blasinstrumentenbau in Berührung kam. Er lernte Oboe, Klarinette und Fagott spielen, wurde später ein gesuchter Musiker und leitete einen Kadettenchor. Den Holzblasinstrumentenbau erlernte er bei „Vinzenz Kohlert's Söhne“ in Graslitz, einer 1840 gegründeten Firma, die alle Holzblasinstrumente vom Piccolo bis zum Kontrafagott herstellte.
Nach seinen Wanderjahren kehrte Vinzenz Püchner in die erzgebirgische Heimat zurück und machte sich schließlich selbständig. Von Anfang an lag ihm besondere Sorgfalt beim Bau seiner Oboen, Klarinetten, Fagotte und Flöten am Herzen. Bei der Entwicklung und Ausführung bis hin zur Ausstimmung kamen ihm seine Erfahrungen als Musiker zugute, die ihn auch zu einem kompetenten Gesprächspartner für seine Kunden machten. Er beteiligte sich früh an regionalen Ausstellungen (Aussig 1903 und Komotau 1913), erhielt goldene Medaillen und verschaffte so der noch jungen Firma ein beachtliches Renommee. Auch persönlich genoß Vinzenz Püchner großes Ansehen innerhalb seiner Stadtgemeinde. Er bekleidete mehrere Ehrenämter und war u.a. Innungs-Obmann.
Josef Püchner
Vinzenz Püchner war Eigentümer des Anwesens „Am Graben“ 543, wo er mit seiner Frau Antonia lebte, die außer dem erstgeborenen Josef noch fünf weitere Kinder zur Welt brachte. Josef ergriff den Beruf des Vaters, absolvierte seine Lehre in der väterlichen Werkstatt und besuchte die Fachschule für Instrumentenbau, die er mit der Meisterprüfung abschloß. Erst siebzehnjährig mußte Josef 1914 bei Beginn des ersten Weltkrieges die Firmenleitung übernehmen, weil sein Vater Vinzenz zum Militär eingezogen wurde. Aber auch Josef mußte dann von 1915 bis 1918 zum Militärdienst.
Zwischen den Weltkriegen
Nach dem verlorenen ersten Weltkrieg zerfiel der Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn, zu dem auch Böhmen gehörte, in eine Anzahl von Nationalstaaten. Der böhmische Teil des „Musikwinkels“, repräsentiert durch seine Hauptorte Graslitz und Schönbach, gehörte nun zur neu gegründeten Tschechoslowakischen Republik. Politisch war die Zeit nach dem Ende des ersten Weltkrieges voller Spannungen zwischen den verschiedenen Volksgruppen der Tschechoslowakei. Gemäß dem Münchner Abkommen vom September 1938 wurden die überwiegend deutsch besiedelten Gebiete der CSR dem Deutschen Reich angegliedert. Die tschechoslowakische Seite hatte dies hinzunehmen, da auch Briten und Franzosen den Anschluß befürwortet haben.
Um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden, mußte die Püchnersche Werkstatt immer wieder erweitert werden. 1938 kaufte man ein weiteres Haus für die Fagottwerkstatt und das Lager.
Walter Püchner erinnert sich
Schon bald nach der Eingliederung in das Deutsche Reich wurden viele Mitarbeiter der Firma Püchner zum Militär einberufen. Die Führung des Familienunternehmens oblag nun Josef Püchner. 1924 hatte er Paula Ubl geheiratet, und beider Kinder Gerta und Walter Püchner halfen schon in der Firma. Walter Püchner erinnert sich:
„Ich kam schon als Junge mit dem Mikrokosmos der Firma, unter dessen Dach ich aufwuchs, in Berührung. Ich erlebte die Bemühungen und Bestrebungen der Familie meines Großvaters, so wie der meines Vaters, die immer alles Geschehen nach den Interessen der Firma ausrichteten. Ich sah das Leuchten in den Augen, wenn unsere Instrumente guten Bläsern und wichtigen Kunden gefielen und diese sie kauften. Ich spitzte die Ohren, wenn Probleme in der Fertigung bewältigt wurden. Ich sah in den Augen die Hilflosigkeit und Verzweiflung, wenn im politischen Spannungsfeld unseres Landes Ereignisse sich anbahnten und über uns hereinbrachen. Im Laufe der Firmengeschichte wechselte sechs mal das Geld: K.u.K. Taler – Tschechische Krone – Reichsmark – Tschechische Kronen – Reichsmark – DM – jedes mal mit Verlust versteht sich.“
Walter Püchner, am 19. April 1930 geboren, begann 1944 seine Lehre als Holzblasinstrumentenmacher. Auch während des Krieges stellte man weiterhin Instrumente her, die hauptsächlich für den Export bestimmt waren, teilweise wurde die Produktion aber auch auf Rüstungsaufträge für den Flugzeugbau umgestellt.
Enteignung und Verstaatlichung
1945 wurde Firma Püchner gemäß dem sogenannten „Beneschdekret“ enteignet und stand bis 1947 unter Nationalverwaltung. Drei Monate vor dem fünfzigsten Jubiläum wurde die Firma liquidiert und dem tschechischen Staatsbetrieb „Amati“ einverleibt, für den Josef Püchner als Ausstimmer tätig werden mußte. Hierdurch war Josef Püchner als „unabkömmlich“ eingestuft und die die ansonsten staatlich betriebene Vertreibung der Sudetendeutschen galt nicht für Familie Püchner.
Walter Püchner erinnert sich an diese Zeit: „Die Erlebnisse nach dem Kriegsende 1945, das ich fünfzehnjährig als Zusammenbruch erlebte, und die Zeit bis April 1948, als unsere Aussiedlung stattfand, würden einen Abenteuerroman ergeben. Eine Situation scheint mir erwähnenswert. 1947 kam eine Kommission aus Prag und verkündete die Liquidation unserer Firma. Mein Großvater Vinzenz nahm seine Mütze ab und sagte zu dieser Kommission folgende Worte: „Der Herr hats gegeben und die Herren können es nehmen“. Die Stille, die nach Großvaters Abgang herrschte, vergesse ich nie.
Die Leere, die durch die Aussiedlung aller meiner Freunde, Schulkollegen, Verwandten und Nachbarn entstand, machten mich zu einem Fremden in meiner Heimatstadt. Die täglichen Besuche meiner Mutter beim Aussiedlungsleiter mit Präsenten trugen Früchte und wir durften schließlich am 12. April 1948 aussiedeln.
Am Morgen unseres Abtransportes lag eine Anzeige gegen uns vor mit dem Vorwurf der „Industrieverschleppung“ und wir wurden gründlich gefilzt. Der nächste Schlag war unmittelbar vor dem Transport per Lkw: Vater wurde die Aussiedlung verweigert. Doch die Rechnung der Obrigkeit ging nicht auf: Meine Mutter beschloß kurzerhand, ohne meinen Vater auszureisen – mit meinen Großeltern, meiner Schwester Gerti und mir.“
Aussiedlung und Wiederaufbau in Nauheim
Nach der Aussiedlung ließ man sich schließlich im hessischen Nauheim nieder, wo schon andere Graslitzer Instrumentenmacher einen neuen Standort gefunden hatten. Josef Püchner konnte im Juni 1948 seiner Familie nachfolgen. Vinzenz Püchner starb nur wenige Monate nach der Aussiedlung, am 23. November 1948, in Nauheim.
Unmittelbar nach der Währungsreform begannen dann Vater Josef und Sohn Walter mit dem Aufbau einer Werkstatt in Nauheim und gründeten die Firma „Josef Püchner, früher Vinzenz Püchner, Graslitz“. „Unsere Bemühungen, in den Orchestern des Umkreises Kunden für Reparaturen und Umbauten zu finden, waren nach und nach erfolgreich. Durch gute Arbeit das Vertrauen der Kunden zu gewinnen, die wiederum durch Mundprogaganda dies publik machten, war unser Werbemittel.
Der Mangel an trockenen Hölzern verhinderte den Bau von neuen Instrumenten. In dieser Zeit schafften wir uns eine Erwerbsquelle durch den Bau von Motorradhupen, Notenpulten und Klarinettenmundstücken aus Kautschuk,“ beschreibt Walter Püchner den Neuanfang.
Schließlich gelang es, ältere Holzbestände aufzukaufen, die bereits mehr als 10 Jahre gelagert hatten, und der Klarinettenbau, kurz darauf auch der Oboen- und schließlich der Fagottbau konnte wieder aufgenommen werden.
1955 wurde dann eine richtige Werkstatt mit Wohnteil in der Beethovenstraße fertiggestellt.
Nach und nach baute man neue Kundenkontakte auf. Die Musiker fühlten sich von der familiären Atmosphäre im Hause Püchner immer speziell angesprochen. Fachlich kompetent betreut von Josef und Walter, finanziell beraten von Gerta im Büro und lukullisch verwöhnt von Paula Püchner – wurden die Kunden über das rein Geschäftliche hinaus umsorgt und es entstanden langjährige Freundschaften zwischen den Musikern und der Püchner-Familie.
Walter Püchner hatte 1963 die Meisterprüfung im Holzblasinstrumentenbau in Koblenz abgelegt. 1967 wurde die Firma in eine offenen Handelsgesellschaft mit Josef, Walter und Gerta Püchner als Gesellschafter umgewandelt. Der Betrieb ging mehr und mehr in die Hände der jüngeren Generation über, aber Josef Püchner war noch bis ins hohe Alter täglich schon frühmorgens in der Werkstatt anzutreffen. Am 4. Juli 1988 verstarb er im Alter von 91 Jahren.
Die vierte Generation
1988 wurde die „J. Püchner Spezial Holzblasinstrumentebau GmbH“ gegründet, in die als vierte Püchner-Generation die Kinder von Walter Püchner, Gabriele und Gerald als Gesellschafter eintraten. Nach seiner Lehre zum Holzblasinstrumentenmacher legte Gerald Püchner 1992 in München die Meisterprüfung ab und nimmt sich seither maßgeblich der Modellpflege, der Qualitätssicherung und der Kundenbetreuung im In-und Ausland an.
Gabriele Nilsson-Püchner studierte nach dem Abitur Klavier und Oboe an der Akademie für Tonkunst in Darmstadt, mit dem Abschluß SMP. Nach Examen und Lehrauftrag arbeitet sie seit 1983 in der Geschäftsführung. Sie ist mit dem schwedischen Fagottisten Magnus Nilsson verheiratet.
Qualität, fachliches Können und Erfahrung
In enger Zusammenarbeit der beiden Geschäftsführer Gerald und Gabriele Püchner mit Ihren Meistern und Mitarbeitern ist man dem Leitsatz des Hauses Püchner „Spitzenqualität aus Tradition“ verpflichtet. „In unserer globalisierten, schnelllebigen Zeit bewähren sich diese Werte, die höchste Qualität, Sorgfalt in allen Details, fachliches Können und Erfahrung in den Mittelpunkt stellen.“ Gerald und Gabriele sind sich des Privilegs und der ständigen Herausforderung bewusst, die diese Nische mit sich bringt.
Seit jeher pflegt Püchner einen engen Austausch mit herausragenden Bläsern und Bläserinnen ihres Faches. „Deren Wünsche und künstlerische Anliegen versuchen wir dank unseres fundierten Know-hows umzusetzen. Auf deren Anregungen hören wir, deren kritische Auseinandersetzung mit neuen Entwicklungen ist gefordert, deren musikalische Erfolge sind unsere“, resümiert Gerald Püchner.